Die Schülerschaft Berlins ist heute religiös und weltanschaulich vielfältig. Doch wenn es um die religiöse Bildung in der Hauptstadt geht, wird es kompliziert. Das zeigte sich unlängst in der Debatte um die Einführung eines verpflichtenden Religionsunterrichts. Demgemäß erkundete der Initiativkreis Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche (DiReKiJu) gemeinsam mit den Teilnehmer:innen Wege der interreligiösen Bildung. Im Nachbarschaftshaus Urbanstraße lud der DiReKiJu die beruflich und ehrenamtlich Engagierten zum gegenseitigen Austausch und Netzwerken ein.
Multiplikator:innen unterstützen
„Studien belegen, dass die interreligiöse Bildung besonders wichtig in den jungen Lebensjahren ist“, beginnt Dr. Silke Lechner ihr Grußwort. Die stellv. Beauftragte für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften der Stadt betont, wie wichtig die Arbeit der engagierten Akteur:innen ist. Dies hebt auch Fereshta Ludin, Leiterin des DiReKiJu, hervor: „Unser Ziel ist es, Multiplikator:innen zu aktivieren und zu unterstützen.“ Es folgten verschiedene Best-Practice-Vorträge aus der interreligiösen Bildung.
Neugier auf Religionen wecken
„Wir müssen Religion nicht als Risiko, sondern als Bereicherung sehen“, proklamierte der Sozial- und Kulturanthropologe Prof. Dr. Werner Schiffauer. Die Hauptaufgabe der Pädagog:innen sieht er darin, die Neugier der Schüler:innen zu wecken: „Der Zauber der Religionen ist vermittelbar!“ Wertvolle Einstiege in die jeweiligen Religionen eröffnen beispielsweise religiöse Feste, Gotteshäuser, religiöse Kunst oder das soziale Engagement der Gemeinden, so Schiffauer.
Konkrete Lebenswelten der Kinder einbeziehen
In der Kinderwelt des Jüdischen Museums ANOHA erschließen sich Kinder selbstbestimmt die Geschichte der Arche Noah. „Sie erkunden imersiv mit allen Sinnen die Geschichte“, beschrieb Dr. Ane Kleine-Engel, die Leiterin des Museums. Dabei werden Vergleiche zu anderen Religionen (Othering) vermieden, so werden die unterschiedlichen religiösen Identitäten der Kinder wertgeschätzt. Wichtig für die begleitenden Pädagog:innen sei es, den Bezug zur konkreten Lebenswelt der Kinder herzustellen, so Kleine-Engel. Dies betonte auch die Vortragende Katja Valentin, evangelische Religionslehrerin in Berlin-Spandau. Sie rief an der Peter-Härtling-Schule das Projekt-Fach „Kultur-Religion-Toleranz“ (KuRT) ins Leben.
Vor- und Nachbereitung des Unterrichts wichtig
„Doch ein Moschee-Besuch ist kein Selbstläufer“, warnte Schiffauer die anwesenden Lehrkräfte. Die Unterrichtseinheiten seien gut vor- und nachzubereiten. Auch das ANOHA bietet hierzu Materialien an. „Wir müssen nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern in den Unterricht miteinbeziehen“, fügten Andrea Kaiser und Halil Kabakulak hinzu. Sie leiten das Berliner Schuldialogprojekt der Islamischen Grundschule Berlin und der Clemens-Brentano-Grundschule in Steglitz. Solche Kooperationen zwischen Schulen, aber auch mit Religionsgemeinschaften sind wesentlich für die interreligiöse Bildung. Dabei sei ein wertschätzendes Miteinander sowie der Respekt vor Sprecherschaft besonders zu beachten, merkt Schiffauer an.
Interreligiöse Wissensvermittlung an erster Stelle
Nach den Best-Practice-Vorträgen nahmen die Teilnehmer:innen an verschiedenen Diskussionsrunden Platz. „Jedes Kind hat das Recht auf Religion“, begann Kabakulak das Gespräch. Die Lehrkräfte wünschten sich, ihre Schüler:innen in ihrer jeweiligen religiösen Identität zu bestärken. „Unser Auftrag ist, konkretes Wissen zu den Religionen zu vermitteln“, war sich die Gruppe einig. Herausfordernd seien dabei etwa die Ängste der Eltern – etwa vor Missionierung im Unterricht. „Wir wünschen uns für unseren interreligiösen Unterricht mehr Unterstützung und Wertschätzung – auch finanziell“, forderten die Pädagog:innen.
Insbesondere angesichts der Ereignisse seit dem 07. Oktober 2023 und den damit verbundenen Herausforderungen an Berliner Schulen ist eine gelingende interreligiöse Bildung wichtiger denn je. Das große Engagement und Interesse der Teilnehmer:innen hat uns sehr inspiriert. Wir bedanken uns herzlich für die bereichernden Eindrücke und freuen uns schon auf weitere Netzwerktreffen zur interreligiösen Bildung!
Diese Artikel wurde verfasst von Samantha Kneissler.
Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Dr. Buhmann Stiftung für interreligiöse Verständigung und die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.