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DiReKiJu-Stand; Markt der Möglichkeiten, 20.12.2024

DiReKiJu-Stand beim Markt der Möglichkeiten am Gottfried-Keller-Gymnasium

  • Beitrags-Kategorie:Allgemein

Religionsunterricht, was mag das heute bedeuten? Schattendasein oder lebendige Vielheit? Am Mittwoch,den 20.11.2024 fand in der Aula des Gottfried-Keller-Gymnasiums der Berliner “Markt der Möglichkeiten” – Religionsunterricht 2024 statt. Hierzu fanden sich Religionslehrende aus Grund- und Oberschulen, verschiedene Kooperationen und Religionsvertreter:innen ein, um über das Was, Wie und Warum des Berliner Religionsunterrichts Heute zusprechen.

Wir wollen die Möglichkeit bieten ins Gespräch zu kommen.

Frau Cordula Kollotschek, katholische Religionslehrerindes Gottfried-Keller-Gymnasiums und Herr Martin Wein, evangelischer Religionslehrer, empfingen Ihre Gäste mitHerzlichkeit und voller Vorfreude. Die Aula, geschmücktwie ein kleiner Markt mit Ständen und Rundtischen, andenen man sich austauschen konnte, sorgte für eineangenehme und behagliche Atmosphäre. Den Auftaktder Veranstaltung machte eine spannende Podiumsdiskussion mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen. Es sprachen: Imam Ender Cetin (Deutsche Islam Akademie), Dr. Michael Bäumer (Berliner Forum der Religionen) und Frau Prof. Dr. Christine Funk (Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin).

WIE HÄLTST DU’S MIT DER RELIGION?

Die andere Perspektive: Frau Cordula Kollotschek, die das Podium moderierte, fragte die Gäste eingangs nach ihren persönlichen Erfahrungen zum Religionsunterricht aus ihrer Schulzeit. Imam Ender Cetin, der in Neukölln der 80’er Jahre aufwuchs, gab zu: “Religionsunterricht spielte nicht wirklich eine Rolle. Es schwebte auch die Frage im Raum, ob “die” uns missionieren wollten.”

Doch in der Oberschule sammelte er die ersten Erfahrungen im evangelischen Religionsunterricht und dies hat einiges verändert. “Denn man lernt sich durch den anderen kennen. So viele Gemeinsamkeiten habe ich entdeckt und die andere Perspektive kennengelernt. Diese offene Haltung wer bin ich – wer sind die anderen – dies ist etwas, was der Religionsunterricht fördert”, so der Imam.

Blick weiten: Der Religionsunterricht in den 60’er Jahren habe für ihn “keine Identitätsfindung geweckt”, so Herr Dr. Michael Bäumer. Doch durch seine berufliche Tätigkeit am Forum der Religionen beobachtet er immer wieder “wie wichtig es ist, den Blick zu weiten, auch über die abrahamitischen Religionen hinaus.” Nicht nur bei Schüler:innen, auch bei den Lehrkräften beobachte er durch die Begegnungen mit verschiedensten Religions- gemeinschaften einen Wandel der Einstellung, dass Hemmschwellen druchbrochen werden. Dies sei für ein Zusammenwachsen, ein Zusammenleben so essentiell, wo doch schätzungsweise 250 verschiedene Religionsgemeinschaften in Berlin bestehen.

Entdecken: Auch Frau Prof. Dr. Christine Funk bemerkt, dass Religionsunterricht damals keine große öffentliche Aufmerksamkeit hatte und ihrer Erfahrung nach tendentiell nicht weit über Normen und Werte hinaus ging.

“Aber der Schulwechsel nach Köln hat vieles verändert. Ohne den Religionsunterricht in der Oberschule hätte ich wohl kein Theologiestudium begonnen” sagt Frau Prof. Dr. Christine Funk. Es war vielleicht weniger der Religionslehrer als vielmehr die Art den religiösen Texte zu begegnen, Fragen zu entwickeln und Perspektiven zu entfalten. Und nicht zuletzt die Möglichkeit des Diskutablen. Religion als Bildungsthema darf und kann in Frage stellen, einen Diskursraum entwickeln, durch den die Schriften ihre Aktualität bewahren und immer wieder neu aufleben.

Warum brauchen wir Religionsunterricht?

Es mochte eine provokante Frage sein, die Frau Cordula Kollotschek da stellte, doch zielte sie auf einen zentralen Aspekt der Wichtigkeit: Worin liegt der Mehrwert des Religionsunterrichts und was unterscheidet ihn vom Ethikunterricht? Imam Ender Cetin fasste es mit folgenden Worten zusammen: “Religionsunterricht hat eine wichtige Hermeneutik, die es in anderen Fächern nicht gibt. Hierin ist ein kultureller Schatz verborgen, der nicht ausgeschlossen werden sollte. Woanders” sagt er “findet sich nicht der Platz um über Worte wie Barmherzigkeit, Liebe und Emotionen zu sprechen.” Auch Frau Prof. Dr. Christine Funk betonte, dass der Religionsunterricht im Besonderen den Raum gibt, Perspektivwechsel einnehmen und erproben zu können. Wo bin ich, wo bist du? Denn darin sind sich alle Fachleute einig, der Dialog, der sich im Miteinander entfaltet, das Fragen und Entdecken in dem “geschützten Raum, den der Religionsunterricht bietet”, so Herr Dr. Michael Bäumer, ist einzigartig und bedeutsam.

Ein Markt der Möglichkeiten

Vielfalt: Im Anschluss der Podiumsdiskussion konnten sich 10 verschiedene Stände mit ihren Projekten und Arbeiten vorstellen. Und allein an dieser kleinen Auswahl wurde die Vielfältigkeit und Lebendigkeit von Religionunterricht 2024 eindrücklich. Hier wurde interreligiöser Dialog und interkonfessionelles Lernen groß geschrieben. Auch die Schüler:innen der achten Klasse des Gottfried-Keller-Gymnasiums stellten aus und präsentierten mit Freude ihre Arbeiten.

An dieser Stelle sei den Veranstalter:innen und Mitwirkenden nochmals gedankt, denn dieser Nachmittag veranschaulichte deutlich, dass sich der Religionsunterricht 2024 im Besonderen auf Dialog, Begegnung und Offenheit stützt. Im Fragen lernen wir nicht nur den Anderen, sondern auch uns selbst kennen und wachsen zusammen, schlagen Brücken und ebnen den Raum für Verständnis und Respekt.

Verfasserin: Juliane Güler, Religionslehrkraft der EKBO in Ausbildung